Open-Air-Bibliothek auf der Landesgartenschau Überlingen ist eröffnet

Literatur unter Bäumen – Lesen am See

„Das Paradies habe ich mir immer wie eine Art Bibliothek vorgestellt“, hat der argentinische Schriftsteller Jorge Luis Borges einmal geschrieben. Gewöhnliche Zeitgenossen sehen das Paradies wohl eher als einen herrlichen Garten – mit Bäumen, Wiesen, Blumen, Wasser. Wie auch immer: Bei der diesjährigen Landesgartenschau in Überlingen lassen sich beide Traumbilder aufs schönste vereinen. Bis Oktober erwartet das Publikum hier eine einzigartige Szenerie: eine Bibliothek mit über eintausend Werken der Bodensee-Literaturgeschichte – unter freiem Himmel wohlgemerkt. Die Gartenschau, coronabedingt bereits um ein Jahr verschoben, wurde unter Einhaltung eines umfassenden Hygienekonzepts vor wenigen Tagen eröffnet.

„Der Bodensee ist eine Landschaft der Literaten“, so das Fazit des Literaturhistorikers Manfred Bosch in seinem hochgerühmten Standardwerk „Bohème am Bodensee“ über die ungewöhnlich reiche Kultur- und Literaturlandschaft. Auf überschaubarem Raum sind hier seit rund 1000 Jahren in den Anrainerländern Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz literarische Werke von Rang entstanden. Überlingen nimmt dabei eine ganz zentrale Rolle ein. Zahlreiche Literaten waren hier ansässig oder regelmäßig zu Gast, seit mehr als sechs Jahrzehnten wird hier der Bodensee-Literaturpreis verliehen und mit Martin Walser lebt einer der bedeutendsten deutschsprachigen Autoren in der Stadt. Während der Landesgartenschau können die Besucher der Villengärten direkt am Bodenseeufer unter schattigen alten Bäumen in bequemen Sitzmöbeln Platz nehmen, ihre Blicke übers Wasser schweifen lassen und sich in ein Buch vertiefen. In den Regalen der Open-Air-Bibliothek ist hier eine einmalige Auswahl an Büchern zur Literaturgeschichte der Vierländerregion wetterfest untergebracht – mit Werken von Mönch Walahfrid Strabo aus dem Mittelalter bis hin zu jungen Gegenwartsautoren. Rund 120 Verlage haben die Bücher beigesteuert.

Der Reutlinger Literaturorganisator Peter Reifsteck, am Bodensee durch das literarisch-kulinarische Festival „WortMenue“ seit zwanzig Jahren bekannt, hat das Konzept der Bibliothek gemeinsam mit dem Überlinger Literaturförderer Oswald Burger entwickelt. Studierende des Studiengangs Architektur der Hochschule Konstanz für Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG) haben die Bibliothek unter Betreuung der Professoren Myriam Gautschi und Stefan Krötsch entworfen und mit Unterstützung der Kreishandwerkerschaft gemeinsam umgesetzt. Die Bibliothek wird gefördert durch den IBK-Kleinprojektefonds im Interreg V Programm „Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein“. Begleitet wird die Bibliothek von einer Lesungsreihe mit renommierten Autorinnen und Autoren der Bodenseeregion. Mit dabei sind Peter Stamm, Eva Gesine Baur, Manfred Bosch, Verena Roßbacher, Bruno Epple und Zsuzsanna Gahse. Gleichzeitig erinnert die Reihe aber auch an bereits verstorbene Dichter vom See wie Werner Dürrson, Tami Oelfken, Annette von Droste-Hülshoff, Franz Michael Felder und Markus Werner. Diese werden vorgestellt von den Publizisten Irene Ferchl und Oswald Burger, den Sprechern Dorothea Neukirchen und Cornelius Frommann, sowie Jürgen Thaler, dem Leiter des Franz-Michael-Felder-Archivs der Vorarlberger Landesbibliothek. Inwieweit die Lesungen tatsächlich stattfinden können, bleibt allerdings von der Entwicklung der Inzidenzzahlen abhängig. Ausführliche Informationen zum Lesungsprogramm finden sich auf der Homepage der Landesgartenschau Überlingen.

Infos: www.ueberlingen2020.de

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